In der Schweiz ist nicht, wie in vielen anderen Ländern, Amazon der Platzhirsch unter den Online-Händlern, sondern Digitec-Galaxus. Gründe dafür gibt es viele. Aber einer davon nervt mich immer wieder aufs neue!
Digitec ist ein Schweizer Online-Shop, der Migros gehört (70% Aktienanteil). Während man auf dem namensgebenden Digitec-Shop vor allem Elektronik-Güter kauft, gibt es auf Galaxus den Rest – Oder wie es ihr früherer Werbe-Slogan sagte, hat Galaxus “Fast alles für fast jeden”.
Und eigentlich ist es ja schön, dass ein Schweizer Unternehmen die Nase vorne hat im Online-Handel und nicht ein ausländischer, gar amerikanischer oder chinesischer Konzern. Grosses Angebot, man weiss, dass die Mitarbeiter unter guten Umständen arbeiten und fairen Lohn erhalten, und das Unternehmen hat auch viele kundenfreundliche Funktionen. Beispielsweise kann man die Preisentwicklung einsehen, erhält Informationen über die Häufigkeit von Garantie-Fällen, wie gut die Firma darauf reagiert, und seit kurzem kann man auch die meisten Produkte nach ihrem Ursprungsland filtern. Das alles ist tiptop.
Aber was stört mich denn an diesem Online-Shop? Nun, der Titel meines Beitrages verrät es eigentlich schon – Wenn man die Webseite aufruft, springen einem als erstes diverse reisserischen Überschriften von Artikeln auf der Webseite entgegen.
Seit geraumer Zeit arbeiten schon diverse Redakteure für Digitec. Diese schreiben Erfahrungsberichte, Meinungsartikel, fassen Neuigkeiten zusammen und machen noch viel mehr. Und das ganze natürlich aus einem Grund: Kundenbindung.
Durch solche Artikel bekommt Digitec natürlich viel mehr Persönlichkeit. Die ganzen Leute bringen ihre Meinung ein und die Kunden können sich mit diesen Leuten identifizieren. Und durch News-Artikel erfährt man auch, was Apple bei ihrem letzten Event so alles an Artikeln angekündigt hat, und diese kann man dann idealerweise schon kaufen, vorbestellen oder man weiss auf jeden Fall, dass man es bei Digitec bekommen wird.
Aber eine Sache ist eben auch sehr praktisch: Wenn jemand auf einen Artikel klickt, bleibt man länger auf der Seite von Digitec und das wird vom Algorithmus von Google und anderen Suchmaschinen belohnt. Und wenn ich mich nur zu einem Thema informieren will, kann ich so auch auf Digitec landen, weil sie einen Artikel dazu haben.
Wie bringt man jetzt aber Leute dazu, möglichst oft auf einen Artikel zu klicken und im besten Fall auch noch damit zu interagieren? Also zu kommentieren, ihn zu teilen oder ihn zu bewerten? Mit reisserischen Titeln.
Es kommt immer wieder vor, dass Artikel einen kontroversen Standpunkt einnehmen, ohne offensichtlichen Grund.
Beispiel Gefällig? 2021 sah sich Alex Hofer, ein Redakteur bei Digitec, gezwungen, darüber schreiben zu müssen, dass er Nummernblöcke auf Tastaturen hasst. Mehrwert des Artikels: 0. Aber er ist natürlich extra in die Länge gezogen und viele Leute kommentieren darunter, wie bescheuert doch diese Meinung sei, oder auch nur, dass man doch jedem das Seine lassen soll. Und schon hat Digitec ihr Ziel erreicht – Mehr Besucher und Interaktionen auf ihrer Seite. Und solche Beispiele gibt es zuhauf.
Redakteure regen sich über Mäuse, über Smartphones, über Kickstarter oder über Wochentage auf oder meinen, die Welt darüber aufklären zu müssen, dass ihnen das Gameplay in Spielen egal ist, solange es toll aussieht. Und es wird immer neue Beispiele geben.
Und dann kommen natürlich noch die Artikel dazu, die einfach nur Füller sind. Inhalte, wie Toplisten des Monats, Ausblicke auf Inhalte des kommenden Monats, Zusammenfassungen von News oder, und das ist mein Liebling, ein Artikel, der sich über inhaltsleere Serien aufregt.
Der dreisteste Ausflug hat sich Digitec aber wohl 2020 geleistet. Als man eine Auseinandersetzung mit TWINT in die Öffentlichkeit getragen hat. Der originale Artikel ist nicht mehr auffindbar, nur noch der Nachfolger, als man sich wieder vertrug. So Niveaulos – Eine Vertragsstreitigkeit öffentlich machen, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Das sind Dinge, die die Kunden nichts angeht, zumindest nicht, während der Streit noch andauert. Denn man kann sich kein ganzes Bild machen. Jede Seite beharrt darauf, dass die Gegenseite der Böse sei, aber nichts kann in irgendeiner Form belegt werden, weil natürlich keine Vertragsdetails öffentlich sind. Aber dann darüber einen Meinungsgetriebenen Artikel zu veröffentlichen und mit Dreck zu werfen, ist einfach nur armselig.
Digitec ist egal, was an Inhalten auf ihrer Seite landet. Hauptsache, es wird geklickt. Es ist dieselbe Herangehensweise, wie von Blick, 20 Minuten und all den anderen Boulevard-Medien. Inhalt egal, Hauptsache Umsatz.
Es gibt Medien, auch im Bereich Gaming und Film, die einen Mehrwert bieten. Die nicht nur etwas sagen, sondern auch aussagen. Aber das beisst sich eben damit, dass man möglichst viele Leute auf die eigene Seite locken will.
Und jetzt kann man sagen, dass das sehr spitzfindig sei. Immerhin haben Digitec und Galaxus jeweils sehr kreative Werbe-Kampagnen und haben eben all die oben genannten Vorzüge. Und ja, das stimmt. Aber wenn ich einkaufe, will ich nicht zuallererst von sechs Überschriften angeschrieben werden, die austauschbarer nicht sein könnten. Ich will auf einen Shop, der in erster Linie auch das ist.
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